Die Audiocodecs

Das Audiocodec-Universum ist etwas komplexer als das der Videocodecs oder Container. Grundsätzlich stehen wir immer vor der Entscheidung, die Original-Audiospur der Quelle unverändert beizubehalten oder in ein anderes Format zu transcodieren. Da damit meistens Qualität verloren geht, will ein Transcoding gut überlegt sein – auch wenn der Verlust oft unhörbar bleibt.

Die meisten Audioformate sind genauso wie die Videoformate mit Patenten vermint, weshalb wir von den Encoder-Webseiten oft nur den Quellcode erhalten. Genaue Downloadadressen für direkt nutzbare Encoder-Binaries folgen später im Kapitel Die nötige Software.

MP3: Der LAME-Encoder

MP3-Encoding in der Praxis bedeutet ganz selbstverständlich den LAME-Encoder. Es gibt keinen weiter entwickelten MP3-Codec und kaum einen Grund, LAME nicht zu verwenden. Für Audiocodecs im Allgemeinen und LAME im Besonderen gilt, keine Experimente mit obskuren Optionen anzustellen, sondern sich an die gut getesteten Standardeinstellungen zu halten. Gäbe es Optionen, die die Qualität spürbar erhöhen würden, dann wären die schon längst in den »professionellen« Empfehlungen enthalten. Konkrete Konfigurationen sehen wir uns im Praxisteil an.

Natürlich ändert LAME nichts am grundsätzlichen Nachteil von MP3, der Beschränkung auf Stereo. Wenn das kein Problem darstellt und wir keine ultra-niedrige Bitrate haben wollen, ist LAME-MP3 für die Region um 100–130 kbit/s nach wie vor eine solide Wahl.

AAC: Nero und Quicktime

MPEG-4 AAC ist besonders interessant, weil es problemlos mit Multikanal-Ton umgehen kann und sich außerdem gut für eine niedrige Bitrate eignet. Die tatsächliche Qualität hängt natürlich stark vom Encoder ab. Interessanterweise steht hier ausnahmsweise kein Open-Source-Projekt an der Spitze der Entwicklung, sondern die proprietären Encoder von Apple und Nero.

Der Hydrogenaudio-Hörtest vom Juli 2011 bestätigt die Spitzenreiter. Zwar bezieht sich der Test auf Stereo-Musik und nicht auf Multikanal-Filmtonspuren, dürfte aber im Wesentlichen übertragbar sein.

  • Der Nero AAC Codec ist bei Videoenthusiasten traditionell das Tool der Wahl. Das liegt zum einen daran, dass Nero bei seiner Einführung 2006 der einzige brauchbare Multikanal-AAC-Encoder überhaupt war. Zum anderen produziert er einwandfreie Qualität und seine Beliebtheit hat dazu geführt, dass er von Encodingfrontends und anderen Tools praktisch immer unterstützt wird. Die neuste Version stammt allerdings schon vom Februar 2010. Ob und wie Nero die Entwicklung des Encoders noch vorantreiben wird, ist nicht klar.
  • Apple Quicktime beinhaltet den vielleicht besten aktuellen AAC-Encoder, der auch ständig weiterentwickelt wird. Inzwischen gibt es mit Qaac auch die Möglichkeit, den Encoder unter Windows bequem per Kommanozeile zu nutzen anstatt sich mit der Quicktime-Oberfläche herumzuärgern.

Bei beiden Encodern sollten wir für hochwertigen 6-Kanal-Ton um die 250 kbit/s einplanen. Wenn der Platz eng wird, geht aber auch deutlich weniger. Mit Nero habe ich schon sechs Kanäle in etwa 130 kbit/s untergebracht. Das geht natürlich nicht ohne spürbare Einbußen, läuft aber trotzdem noch aufs qualitative Mittelfeld hinaus.

Vorbis: Xiph.org und aoTuV

Vorbis zeichnet sich dadurch aus, dass libvorbis – die Referenzimplementierung von Xiph.org – auch den üblichen Encoder darstellt. Praktisch überall, wo Vorbis draufsteht, steckt libvorbis drin. Das gilt für den offiziellen Kommandozeilen-Encoder oggenc genauso wie für BeSweet oder FFmpeg.

Ein bisschen Vielfalt gibt es dann doch, nämlich

  • Vanilla libvorbis, also die unveränderte Version direkt von Xiph.org.
  • aoTuV libvorbis, was für Aoyumi’s tuned Vorbis steht. Aoyumi kümmert sich besonders um niedrige Bitraten (unter 70 kbit/s für Stereo). In unregelmäßigen Abständen werden seine Anpassungen in den »offiziellen« libvorbis übernommen.

Im Frühjahr 2010 hat libvorbis die lange erwartete brauchbare Multikanal-Unterstützung erhalten. Wie bei den AAC-Encodern sollten wir für hochwertigen 6-Kanal-Ton etwa 250 kbit/s ansetzen. Wie weit wir tatsächlich noch ohne zu massive Qualitätsverluste nach unten gehen könnten, kann ich mangels Tests leider nicht sagen. Für hochqualitative 5.1-Encodings ist Vorbis jedenfalls inzwischen eine echte Alternative zu AAC.

FLAC

Beim verlustlosen FLAC (Free Lossless Audio Codec) sieht es ganz ähnlich aus wie bei Vorbis. Wir benutzen den Referenzencoder. Es gibt zwar weitere Implementierungen wie z.B. Flake oder FLACCL, doch die haben alle Einschränkungen, die sie für unsere Zwecke uninteressant machen.

FLAC ist bestens geeignet, um die übermäßig großen verlustlosen Audiospuren der Blu-ray – TrueHD, DTS-HD MA oder unkomprimiertes LPCM – ohne jeden Qualitätsverlust auf eine sinnvolle Größe einzudampfen. Ist dagegen die Quelle schon verlustbehaftet, produziert FLAC i.d.R. zu große Dateien.

Dolby und DTS

AC-3, E-AC-3, TrueHD und DTS mit seinen Varianten sind allesamt ineffizient und als Zielformate nicht geeignet. Außerdem existiert lediglich für AC-3 ein frei zugänglicher und qualitativ brauchbarer Encoder: Aften. Deshalb werden wir uns mit dem Dolby/DTS-Encoding nicht beschäftigen.

Trotzdem ist es nicht unüblich, im fertigen Encoding Dolby/DTS einzusetzen; und zwar dann, wenn wir die Originaltonspur unverändert von der Disc übernehmen. Besonders für hochqualitative Encodings sparen wir uns so den Qualitätsverlust durch das Transcoding.

Empfehlung

Welches Audioformat wir nehmen können, hängt wie immer von der gewünschten Kompatibilität beim Abspielen ab. AAC ist weit verbreitet und damit eine relativ sichere Wahl. Außerdem lässt es sich problemlos im Matroska- und MP4-Container unterbringen.

Das ist wenig überraschend und wenig spannend. Viel interessanter: Sollten wir überhaupt transcodieren oder lieber das Original behalten? Das kommt darauf an.

  • Bei der DVD als Quelle ist die gesparte Dateigröße zwischen Original-AC-3 und 6-Kanal-AAC oder -Vorbis relativ gering. Deshalb übernehme ich DVD-Tonspuren immer unverändert ins Encoding.
  • Die massiv großen verlustlosen Tonspuren der Blu-ray können dagegen ein Transcoding nach FLAC vertragen. Trotzdem übernehme ich bei DTS-HD MA – das üblichste Format für die wichtigen Tonspuren – meistens nur den verlustbehafteten DTS-Core mit seinen 6 Kanälen. Der Qualitätsverlust liegt weit jenseits der Hörschwelle, und die oft fehlenden 2 Kanäle spielen für mein Hifi-Setup keine Rolle.
zuletzt aktualisiert: 29.05.2016

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