Der Formatedschungel

Wer neu in die digitale Medienwelt einsteigt wird erst einmal erschlagen. Für Video, Audio, Untertitel und Container gibt es jeweils eine ganze Latte an Standards und Formaten, die teilweise zueinander inkompatibel sind und sich für die eine oder andere Art der Wiedergabe besser oder schlechter eignen. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, wird oft ein Standard von mehreren Codecs bedient. So erzeugen sowohl Xvid als auch DivX MPEG-4-ASP-Video. Oh, und manche Versionen von DivX können auch H.264- und/oder HEVC-Video encodieren. Wer soll sich da noch auskennen?

Um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, werfen wir in diesem Kapitel einen intensiven Blick auf das ganze Chaos, das nur auf Anhieb dermaßen chaotisch wirkt. Wenn der erste Schock überwunden ist, erkennt man schnell, dass die Formatevielfalt recht gut strukturiert ist. Die meiste Überlegung ist immer noch nötig, wenn wir die Kombination der Formate aussuchen, die im endgültigen Film verwendet werden soll.

Begriffsklauberei

Auch wenn es ein wenig haarspalterisch anmuten mag, ist es unabhängig vom ungenauen alltäglichen Sprachgebrauch nützlich zu wissen, was exakt ein bestimmter Begriff tatsächlich bedeutet. Das hilft ungemein, sich im Formatedschungel nicht ganz so gründlich zu verirren. Deswegen sehen wir uns am Beispiel von Video kurz die Definitionen einiger wichtiger Begriffe an.

Format
Das ist der abstrakte Regelsatz zur Codierung von digitalen Video-Daten. Hier geht es weder um Software noch um Videomaterial noch um Dokumente, sondern tatsächlich um die Menge an Regeln, die festlegen, wie z.B. ein H.264/AVC-, VC-1- oder MPEG-4-ASP-Video aufgebaut sein muss.
Spezifikation
Das ist das Dokument, in dem der Regelsatz eines Formats schriftlich definiert wird. Ein typisches Beispiel ist die H.264-Spezifikation, die man bei der ITU als PDF herunterladen kann. Dort wird extrem ausführlich und für den Laien komplett unverständlich jeder Aspekt des H.264-Videoformats bis ins winzigste Detail beschrieben.
Norm
Eine Norm ist ein von einer anerkannten Normierungsorganisation – z.B. ISO, ITU, DIN – in einem offiziellen Verfahren abgesegnetes Format. Meistens passiert das in der Form, dass im Rahmen dieses Verfahrens das Spezifikationsdokument ausgearbeitet und abschließend von der Normierungsorganisation veröffentlicht wird. Achtung: Normen sind nicht automatisch Standards!
Standard
Verbreitet sich ein Format in der Praxis so flächendeckend, dass kaum ein Weg daran vorbei führt, wird es zum Standard. Viele Standards sind auch Normen, doch das muss nicht so sein; z.B. sind die klassischen Formate der Microsoft Office (.doc, .xls etc.) nicht genormt. Nicht einmal eine Spezifikation ist notwendig, z.B. gibt es für das Verfahren, VBR-Audio in AVI unterzubringen, nicht das eine offizielle Dokument, in dem die Methode festgeschrieben ist; und trotzdem wird sie praktisch von allen Abspielgeräten unterstützt.
Encoder
Ein Stück Software, das Video in einem bestimmten Format erzeugen kann, aber nicht auch zum Abspielen gedacht ist. Z.B. erzeugt x264 H.264-Video.
Decoder
Das Gegenstück zum Encoder ist der Decoder, der zwar ein Videoformat abspielen, aber nicht erzeugen, kann.
Codec
Das Kunstwort Codec (aus Coder und Decoder) steht für eine Software, die Encoder und Decoder in sich vereint, also ein Videoformat sowohl erzeugen als auch abspielen kann. Paradebeispiele dafür sind Xvid und DivX.

In der Realität werden diese Begriffe natürlich wild durcheinander gewürfelt. Das gilt besonders für Norm und Standard, nicht ganz unbeeinflusst vom Englischen, das dafür keine verschiedenen Wörter kennt. Dort heißt beides standard. Auch Codec hat sich zu einem Oberbegriff für sämtliche En-/Decoder-/Codec-Software entwickelt.

Deswegen solltet ihr auch im Encodingwissen nicht erwarten, dass immer exakt der haarspalterisch korrekte Begriff dasteht. ;-)

Kommentare